Browser Ballett: Sonderlob für vielfältige Satire
Sehr geehrte Satirefreunde,
Satire muss wehtun. Diesen Satz haben (laut einer gründlichen Suchmaschinenrecherche) Menschen wie Urban Priol oder Hans-Joachim Heist geprägt. Welches Format ihn jedoch lebt, ist die Sendung Browser Ballett. Deshalb hat sich die Satirebehörde – nach langen Überlegungen und noch zäheren Verhandlungen – dazu durchringen können, erstmals ein Sonderlob auszusprechen.
Anmerkung: Ein Sonderlob unterscheidet sich insofern von einem regulären Lob, als dass das Wörtchen „Sonder“ vorangestellt ist. Bei 200 Sonderloben erhalten Sie eine WMF-Bratpfanne mit dem eingeprägten Logo der Satirebehörde (zum UVP von 40,99 Euro) gegen eine geringe Zuzahlung von 39,99 Euro.
Konkret geht es um den jüngst veröffentlichten (07. Juli 2021) Beitrag „Applaus von Rechts“ des Browser Balletts. Satiriker Schlecky Silberstein und Christina Schlag beweisen mit diesem und anderen Videos ihre satirische Kompetenz sowie Vielfältigkeit.
Noch eine Anmerkung: In der folgenden Satirekritik werden weiterhin für die politische Zuordnung die Begriffe „rechts“ und „links“ benutzt und nicht die entsprechende Himmelsrichtung. Grund ist: Noch immer sorgt die moderne Form der Benennung für Verwirrung und Kopfschmerzen.
Der Inhalt
Es wird eine Situation geschildert, in der ein Politiker der AvD (wohl eine Anlehnung an eine deutsche, rechtspopulistische Partei; nicht zu verwechseln mit Automobilclub von Deutschland (AvD)) einen Buchladen betritt. Der Buchhändler möchte ihn nicht bedienen und fordert ihn auf, den Laden zu verlassen.
Nun wendet sich das Blatt: Der AvD-Politiker droht dem Mann damit, ihn zu mögen – was er dann auch öffentlich macht. Die Folge: Der Mann in der Buchhandlung wird als Nazi dargestellt, Menschen protestieren vor dem Laden, seine Freundin verlässt ihn. Das alles binnen Sekunden. Die Satirebehörde begrüßt, dass auf stilistische Mittel wie Hyperbeln gänzlich verzichtet wurde; die gezeigten Bilder gleichen einer Dokumentation.
Schlussendlich gibt der Buchhändler seinen Widerstand auf und verkauft dem Politiker das Buch. Daraufhin wird er als Linksextremer dargestellt. Logische Wendung, gute Arbeit!
In dem Satire-Erzeugnis wird nach allen Seiten ausgeteilt – und dabei wird die Kritik unverblümt vorgetragen. Das ist nichts Neues, denkt man an den Video-Clip „Woher kommt der Täter? Jede Tragödie ist eine Chance.“ zurück. Im Fachjargon würde man von „bissiger Satire“ sprechen.
Im Kontext der Intertextualität ließe sich hier noch auf die Berliner Buchhändlerin verweisen, die feministische Bücher anbietet, trotzdem von der linken Seite harsch kritisiert wurde. Denn … ihr Urgroßvater war Nationalsozialist. Wäre dies ebenfalls Satire, würde die Satirebehörde ein Lob verfassen.
Die Bewertung
Das zur Bewertung vorliegende Satire-Erzeugnis (Browser Ballett, 07. Juli 2021: „Applaus von Rechts“) wird – wie im § 4 Absatz 4 SatGB festgelegt – auf folgende Kriterien geprüft:
Humor: Die Sachbearbeiter der Satirebehörde stufen das vorliegende Satire-Erzeugnis als lustig ein. Der Humor nimmt vor allem ab 00:45 Fahrt auf, steigert sich über die Dauer des Videos aber weiter.
Originalität: Die Satirebehörde geht ob der gezeigten Kreativität des Satire-Erzeugnisses davon aus, dass es sich um ein originelles Erzeugnis handelt. Alles andere würde sich auch negativ auf die Aussprechung des Sonderlobes auswirken.
Absicht: Das vorliegende Satire-Erzeugnis soll vor allem den Missstand aufzeigen, wie in sozialen Netzwerken mit Zustimmung oder Kritik umgegangen wird. Das Browser Ballett überträgt dies auf das echte Leben und überspitzt es auf satirische Art und Weise. Die Botschaft ist: Nur wer Applaus aus einer Richtung erhält, tritt noch lange nicht für die politischen Ziele ein. Eine Demokratie ist komplex, ist vielfältig und muss auch Applaus von Extremisten aushalten. Vorschnelles Urteilen und Rufmord sind selten adäquate Gegenmaßnahmen.
Das Fazit
Die Satirebehörde spricht dem Browser Ballett ein Sonderlob aus. Der Grund: Die Satiriker des Browser Balletts haben mit diesem Satire-Erzeugnis bewiesen, dass sie das Satiregesetzbuch nicht nur verstehen, sondern auch in besonderer Weise umsetzen. Der Video-Clip strotzt nur so vor Kreativität. Hervorheben möchte die Satirebehörde den rechten schmierigen Bond-Bösewicht, der zwar weniger brüllt als ein Nazi, dennoch überzeugend diese Seite verkörpert. Aber auch die überemotionalisierte linksradikale Meute ist gut getroffen.
Es finden sich aber bei weitem nicht nur politische Satire-Erzeugnisse auf den Ausspielplattformen der Satiriker. Die Bandbreite reicht indes viel weiter. Auch gesellschaftliche Themen oder Kritik an (un)sozialen Netzwerken stellen die Satiriker oftmals dar. Das Besondere an den Satire-Erzeugnissen des Browser Balletts sind auch überraschende Wendungen – und generell: Die Kritik an allen Seiten. So auch im vorliegenden Satire-Erzeugnis: Es wird nicht nur satirisch Kritik an dem Agieren von Nazis herausgearbeitet, sondern eben auch, wie die Gesellschaft damit umgeht.
Die Satirebehörde wünscht den Kollegen des Browser Balletts viel Erfolg – und weiterhin ein gutes Händchen beim Produzieren ihrer Satire-Erzeugnisse nach dem SatGB.
Im tiefsten Entsetzen,
Ihre Sachbearbeiter der Satirebehörde